COI: Ein Rückblick

In meiner fast 30 jährigen Vergangenheit als Software-Entwickler habe ich schon an vielen Projekten mitgearbeitet. Und für ein bestimmtes Projekt wage ich einen Rückblick…

In meiner fast 30 jährigen Vergangenheit als Software-Entwickler habe ich schon an vielen Projekten mitgearbeitet. Da gab es komische Betriebssysteme und wirklich eigenartige Entwicklungsumgebungen resp. Programmiersprachen. Gelernt habe ich dabei jedenfalls immer sehr viel. Und darauf kommt es ja an. Egal wie Scheiße man etwas findet...

Hast du am Ende was gelernt, dann hatte es was Gutes.

Ich möchte mich jetzt aber gar nicht soo weit aus dem Fenster lehnen, und viel lieber eine Erfahrung aus der eher jüngeren Vergangenheit resümieren.

Die letzten Jahre habe ich mich hauptsächlich als iOS/macOS Freelancer herumgetrieben. Ich war lange Zeit grosser Fan von Objective-C, und hatte entsprechend auch erst einen sehr späten Einstieg in die viel gehypte Sprache Swift (irgendwas um Version 4.x). Doch Anfang 2019 las ich einen Heise-Artikel über ein Projekt namens COI. Das ist ein Akronym und steht für "Chat Over IMAP".

Da hatte sich also eine bekannte Open-Source Firma gedacht, sie nehmen zwei alte und abgehangene Email-Protokolle, und missbrauchen sie für... etwas anderes. Mit SMTP und IMAP werden seit langer Zeit weltweit riesige Email-Infrastrukturen betrieben. Millionen Menschen auf diesem Globus haben mindestens eine aktive Email-Adresse. Und all diese Menschen wären auf einen Schlag potentielle Benutzer von COI, ohne, dass sie sich einen neuen Account zulegen müssten. Alles wäre bereits vorhanden. Sie müssten sich nur die App installieren, ihre Email-Accountdaten eintragen, fertig.

Die Vorstellung gefiel mir sehr. Auch der Mut, mit SMTP und IMAP als "Chat Protokolle" für einen Instant-Messenger andere Wege gehen zu wollen, das machte mich neugierig. Die Idee war ansich nicht neu, wie ich später herausfand. Da gab es bereits mindestens eine andere Firma, die den gleichen Weg einschlug. Aber in diesem Heise-Artikel erfuhr ich zum ersten Mal davon.

Was ebenfalls meine Neugierde weckte war die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Flutter-Projekt handelte. Von Flutter hatte ich bis dahin schon viel gehört und gelesen. Es ist von Google, und es ist zum Entwickeln von Cross-Plattform Software gedacht. Viele, die darüber berichteten, schwärmten davon. Es fühle sich Vieles "richtig" an, und man komme sehr schnell zu passablen Ergebnissen. Eine Einschätzung, die ich sehr bald teilen sollte. Das Alles bewegte mich dazu, sogar mein Freelancer-Dasein an den Nagel zu hängen, um an diesem Projekt mitarbeiten zu können.

Nun, als Ansprechpartner in diesem Artikel war ein gewisser Rafael Laguna de la Vera genannt. Ich kannte diesen Mann nicht. Im Artikel stand lediglich, dass er Geschäftsführer jener Firma sei.

Also machte ich mich auf LinkedIn auf die Suche nach seinem Account, fand ihn, und schrieb ihm eine etwas spartanische Nachricht.

It seems you need a macOS developer. (-:

Und schickte den Link zum Heise-Artikel hinterher. Nun, "macOS" schrieb ich deshalb, weil ich seit der ganzen Zeit der Entwicklung für iOS auch mal wieder etwas für macOS machen wollte.

Es vergingen keine 5 Minuten und ich hatte eine Antwort von ihm:

Please write me an email about what you are doing and what you would like to do.
Rafael Laguna de la Vera

Gesagt, getan. Ich schrieb ihm diesmal eine etwas ausführlichere Email mit allen Informationen. Eine Woche später bekam ich eine Antwort aus Bremen mit einem Terminvorschlag für ein Konferenzgespräch. Der Rest ist Geschichte. Ich hatte den Job: iOS|Flutter Developer im COI Projekt. 😃


Leider währte die Freude nicht sehr lang. Rafael wurde Gründungsdirektor von SprinD - der Bundesagentur für Sprunginnovationen, und verließ Open-Xchange. Ein neuer CEO folgte, und... machte das ganze COI-Projekt erstmal platt. Ein grosser Teil der Bremer Belegschaft durfte sich nach neuen Herausforderungen umschauen, und ich war einer von ihnen.

Weshalb schreibe ich das Ganze hier überhaupt? Nun, es hat wohl viel mit Flutter zu tun. Flutter war mein erster Kontakt mit der so genannten deklarativen Programmierumg. Das war etwas vollkommen Neues für mich. Es fühlte sich frisch und lebendig an. Ich war in der Lage sehr schnell sichtbare Ergebnisse auf den Bildschirm zu zaubern. Und das gefiel mir sehr. Inzwischen brachte Apple SwiftUI heraus, was einen sehr ähnlichen Ansatz wie Google mit Flutter verfolgt. Nur eben auf das Apple Ökosystem zugeschnitten und beschränkt. Aber auch hier habe ich sehr viel Freude damit. SwiftUI macht einfach Spaß!

Und damit sich Kreis wieder schließt, hab ich seit Kurzem wieder eine Anstellung als iOS | Flutter Entwickler, bei einem echten Internet-Urgestein. 😎


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